Wie lassen sich Roboterfahrzeuge (AGVs) effizient in ein Produktionsumfeld integrieren? (Teil 2)
12. 10. 2023
In unserem ersten Tipp für eine effiziente Einführung von Roboterfahrzeugen in Produktionsumgebungen haben wir die Bedeutung der Ist-Stand-Analyse hervorgehoben, sowie, sich die Frage zu stellen, was produziert wird und wie sich die Produktionsprozesse erleichtern lassen sowie was die interne Logistik zur effizienten Unterstützung der Produktion beiträgt. Diesmal möchten wir auf fünf Elemente bzw. Bereiche hinweisen, über die es noch vor der Einführung von AGVs nachzudenken gilt.
Herausforderungen der Automatisierung und worüber man sich vor Einführung der AGVs Gedanken machen sollte
1. Wichtige Schlüsselbegriffe
Welche sind die Bestandteile des autonomen Transportsystems?
- eine Roboterfahrzeugflotte;
- deren Peripherie (Ladestationen, Wartungsstationen usw.);
- Punkte bzw. Geräte für die Interaktion mit dem Umfeld (ständige bzw. zeitweilige Speicher, Austauschstationen);
- ein für die Optimierung der gesamtlogistischen Effizienz sorgendes Kontrollsystem (Fleet Managemetn System – FMS).
Ein Roboterfahrzeug besteht im Groben aus einer Basiseinheit und einer Manipulationseinheit. Die Basiseinheit gewährleistet Bewegungen im Raum, die Manipulationseinheit den kontrollierten Kontakt mit der Fracht sowie die Übernahme- und Übergabeprozesse.
2. Festlegung der wesentlichen Leistungsindikatoren (KPIs), die uns die Einführung der Logistikautomatisierung in Erwägung ziehen lassen.
Betrachten wir, welche Ziele für die Einführung der Logistikautomatisierung wir verfolgen bzw. was wir erreichen möchten.
- Erstreben wir eine Kostenreduzierung?
- Oder einen kontrollierten und korrekten Inhalt (Fehlerreduzierung) und eine On-Time-Lieferung (KANBAN)?
- Steigt die Marktdynamik (stetig), sind Produktwechsel in der Produktion immer häufiger, was von uns eine höhere Flexibilität, schnellere Reaktionszeit und/oder geringere Anpassungszeit erfordert?
- Benötigen wir ein vorübergehendes Lager zur Bewältigung einzelner Spitzen?
- Stehen Mengen und eine Arbeitsweise, die anspruchsvolle Bedingungen erfordern (Nachtschichten, Anforderungsstufe des Umladens, gefährliches bzw. unangenehmes, von Extremtemperaturen oder Dämpfen geprägtes Arbeitsumfeld) im Vordergrund?
3. Was ist der Gegenstand des logistischen Umladens?
Darüber sollten wir nachdenken:
- Gibt es nur einen oder unterschiedliche Typen der Umladeeinheiten? Gibt es einen gemeinsamen Nenner in Bezug auf Kontaktflächen und Identifizierungsmerkmale (Strichcodes, Beschriftungen, QR-Codes, RF-Tags usw.)? Ist die Umladeeinheit ein zweckgebundener Sonderbehälter oder ein marktüblicher Behälter (z.B. Container)?
- Sind in Zukunft Erweiterungen zu erwarten? Welcher Art – Gewicht, Maße, Form, Materialien?
Beispiel: Plastikbehälter 600 x 400 x 300 mm wird durch Kartonschachtel ersetzt. - Welche Qualität und zeitliche Stabilität weisen die Kontaktflächen auf? Durchläuft die Umladeeinheit Prozesse, in denen sie verschmutzt oder verstaubt werden kann oder sich ihre Farbe ändert? Ist das Material in der Umladeeinheit vibrations-, schlag oder orientierungsempfindlich?
- Welche Stabilität weist das Material in der Umladeeinheit auf? Sind Umverteilungen während der Fahrt und somit zusätzliche auf das Fahrzeug wirkende Kräfte zu erwarten?
Beispiel: Metallteile in geringerer Anzahl (z.B. Schrauben) im Plastikbehälter können bei zu starken Bewegungsänderungen verrutschen und ihre Lage ändern, beim Aufprall auf die Seitenflächen der Umladeeinheit werden starke Stoßkräfte erzeugt, die von den Kontaktflächen auszuhalten sind, damit es zu keinem unkontrollierten Verlust oder zu keiner Unstabilität der sich auf dem Fahrzeug befindlichen Fracht kommt. - Ist zu erwarten, dass Material über die Maße der Umladeeinheit hinausragt (z.B. Umladen von in Vakuumtüten verpackten Gegenständen, wobei die Tüten beim Verpacken zusammengepresst werden und nach einiger Zeit aus der Schachtel hervorschauen)? Ist die Umladeeinheit Teil eines internen Flusses, bei dem ein kontrollierter Zustand und Mengen gewährleistet werden, oder ist sie Teil eines offenen Kunden-/Subunternehmeraustauschsystems, bei dem der Zustand noch zu definieren ist (potentielle Beschädigungen, Sichtbarkeit der Beschriftungen, annehmbarer Zustand der Kontaktflächen?
4. Das Umfeld unserer Logistikoperation ist ...
- ein neues Produktionsumfeld
Wir können uns vorstellen, dass die jeweilige Technologie spezifischer Voraussetzungen (räumliche, klimatische, sicherheitstechnische, energietechnische usw.) bedarf um effizient genutzt werden zu können. Bei neuen Anlagen ist das relativ einfach zu gewährleisten. In Wirklichkeit sind dies die wenigsten Fälle, denn die Investitionskosten der Anlage überragen meist die Investition in die Technologie, senken somit den Ertrag (ROI) und folglich deren Attraktivität.
- ein bestehendes Produktionsumfeld
Ein viel reelleres Szenario ist, dass die neue Technologie in ein bestehendes Produktionsumfeld eingegliedert wird. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Der erste ist ein eingeschränkter Investitionsumfang, der zweite eine zweckgebundene Prüfung der Technologie und deren Eingliederung im kleineren Umfang, um somit die Anfangsschwierigkeiten beheben und die damit verbundenen Risiken auf einer beherrschbaren Ebene kontrollieren und erhalten zu können.
Bei einem bestehenden Produktionsumfeld sollte man bedenken:
- Ermöglicht das alte System die Einführung eines automatisierten Transports?
- Lässt sich zumindest teilweise ein räumlicher oder zeitlicher Parallellauf mit den bestehenden Prozessen gewährleisten? Inwieweit wird es bezüglich Sicherheit, Vorfahrtsregeln und Ausweichen notwendig sein, bestehende Prozesse zu ändern? Wieviel Aufwand bedarf es, um die Mitarbeiter zu schulen?
- Wie lässt sich die Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen so gestalten, dass ein Miteinander möglich und vor allem erwünscht ist?
- Wer trägt bei kombinierten Systemen die Verantwortung für die Effizienz des eingeführten Systems und den Einfluss auf das alte System? Welche Einflussfaktoren sind gegeben und wie kann bewusst Einfluss darauf genommen werden?
- Es sind etwaige Einflüsse auf die Risikobewertung der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu prüfen und die Sicherheit der Ausstattung sowie ein geeigneter Brandschutz zu gewährleisten.
5. Bewertung der Prozessflexibilität
Dabei gilt es darüber nachzudenken, wie sich die Dynamik des Ziellogistikprozesses (Lagerung/Umladen/Lieferung) darstellt:
- Ist der Prozess gleichmäßig oder schwankend?
- Sind die Zeit- und Intensitätsschwankungen bekannt?
- Inwieweit wird der Logistikprozess vom Rhythmus der wechselnden Produktserien beeinflusst?
- Können diese Variationen (Produkttyp, Umladeeinheit) mit denselben Transportgeräten abgedeckt werden?
- Inwieweit ändern sich Ein- und Ausgangsstandorte, sind Puffer notwendig?
- Ist das Übernahme-/Verladesystem ähnlich?
- Gibt es eine genügende Anzahl an fixen Navigationsstützpunkten und wird ein Verdecken der Punkte durch Materialablage vermieden?
- Sind im Umfeld der Logistikprozesse Menschen anwesend?
- Wurde für das erste Pilotprojekt ein eingeschränkter Umfang an Prozessen und ein begrenztes Umfeld gewählt, soll das System für eine zukünftige Erweiterung ausgestattet werden?
- Geht es dabei lediglich um eine Erweiterung oder sogar um einen dynamischen Quellenaustausch?
Es gibt viele Herausforderungen bei der Logistikautomatisierung. Das nächste Mal stellen wir Ihnen die fünf wesentlichen vor.